5. Dezember 2024 | IT-Recht, Medienrecht

Rechtswidrige Inhalte auf Online-Plattformen: Trusted Flagger, Streitbeilegung & Co.

A symbolic image representing the removal of illegal content on social media, without any text. The scene shows a smartphone screen with a social media app

Magdalena Kaffai

 

Ende November hat sich der BGH mit einer potenziell richtungsweisenden Entscheidung zur Haftung von Plattformen bei Datenschutzverletzungen beschäftigt. Aufmerksamkeit erregte dies zum einen, weil das Gericht zum ersten Mal von dem Leitentscheidungsverfahren gem. § 552b Zivilprozessordnung (ZPO) Gebrauch gemacht hat. Zum anderen wird erwartet, dass die Entscheidung neue Maßstäbe für die Begründung von Schadensersatzansprüchen gegen Plattformbetreiber setzt. Dies hat nicht nur Auswirkungen auf die Durchsetzung der streitgegenständlichen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), sondern wird auch vor dem Hintergrund der Haftung von Plattformbetreibern für rechtswidrige Inhalte im Kontext des Digital Services Act (DSA) zu analysieren sein.

Der DSA war jüngst in Zusammenhang mit der Zertifizierung der Meldestelle „REspect!“ als erster sogenannter Trusted Flagger für Online-Plattformen in Deutschland in die Kritik geraten. Befürchtet wird ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Meinungsfreiheit bis hin zur „staatlichen Zensur“. Schaut man auf die gesetzlichen Grundlagen – den Digital Services Act (DSA) und das Digitale-Dienste-Gesetz (DDG) – scheinen diese Befürchtungen überzogen. Zwar sieht der DSA öffentliche Aufsichtsmaßnahmen, wie etwa die Verhängung von Bußgeldern bei (systematischen) Verstößen vor, die Behörden treffen dabei aber keine Feststellungen zur Rechtswidrigkeit einzelner Inhalte. Im Streitfall bleibt es daher Aufgabe der einzelnen Betroffenen die Löschung oder Sperrung von Inhalten auf dem Zivilrechtsweg durchzusetzen oder sich gegen eben solche Löschungen zu wehren. Welche Möglichkeiten Betroffene haben, gegen rechtswidrige Inhalte auf Online-Plattformen vorzugehen, soll hier kurz skizziert werden.

 

Grundsätzlich können Betroffene sowohl gegen den Primärschädiger als auch gegen den Plattformbetreiber vorgehen.

Bsp: Verbreitet ein YouTuber auf einem Kanal eine Verleumdung, dann kann die betroffene Person sowohl gegen den Kanalinhaber als Primärschädiger als auch gegen Google als Plattformbetreiberin von YouTube vorgehen.

Ist der Primärschädiger nur schwer zur Verantwortung zu ziehen, etwa weil er im Ausland lebt oder eine Identifikation für den Betroffenen nicht möglich ist, bietet sich die Inanspruchnahme des Plattformbetreibers an. Zwar haften Online-Plattformen grundsätzlich nicht für Nutzerinhalte. Dieser Grundsatz hat auf Basis der nationalen und insbesondere europäischen Rechtsprechung der vergangenen Jahre jedoch erhebliche Einschränkungen erfahren, sodass sich im Zusammenspiel mit dem DSA ein komplexes Haftungssystem herausgebildet hat, welches nach Rechtsgebieten ausdifferenziert ist. Für das Wettbewerbsrecht hat Sebastian Wasner eine Entscheidung des OLG Frankfurt a.M. (Urteil vom 21. Dezember 2023, Az. 6 U 154/22) im Blogbeitrag vom 31. Januar 2024 analysiert. Auch die Lebensmittelbranche interessiert sich für die neuen Entwicklungen der Plattformhaftung und sich deswegen beim 18. Marburger Symposium zum Lebensmittelrecht von Dr. Martin Jaschinski erläutern lassen, wie digitale Marktplätze durch das Wettbewerbsrecht überwacht werden.

 

  1. Außergerichtliche Durchsetzung

Zunächst einmal besteht für die betroffene Person die Möglichkeit, den plattforminternen Beschwerdemechanismus in Anspruch zu nehmen, dessen Einrichtung in Art. 16 DSA festgeschrieben ist.

Tipp: Die Meldung eines rechtswidrigen Inhalts muss dabei so konkret gefasst sein, dass sie es dem Hostingdienstanbieter ermöglicht, den Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptung des Betroffenen unschwer – das heißt ohne eingehende rechtliche oder tatsächliche Überprüfung – zu bejahen (BGH Urt. v. 25.10.2011 VI ZR 93/10, Rn. 30). Dies kann sich gerade bei Äußerungsdelikten (Beleidigung, Verleumdung, etc.) aber auch bei Urheber- oder Markenrechtsverletzungen als komplex erweisen. Erst eine konkret gefasste Meldung bewirkt dann die „Kenntnis der Plattformbetreiber vom rechtswidrigen Inhalt“, was für eine spätere gerichtliche Durchsetzung von Ansprüchen gegen den Plattformbetreiber relevant wird.

Darüber hinaus sieht der Digital Services Act die Etablierung von Trusted Flaggern vor, deren Meldungen rechtswidriger Inhalte von den Plattformen prioritär behandelt werden müssen (Art. 22 DSA) und außergerichtlichen Streitbeilegungsstellen (Art. 21 DSA). Wie effektiv diese Streitbeilegungsmechanismen trotz fehlender Bindungswirkung der Schiedssprüche sein können, wird sich zeigen müssen.

  1. Gerichtliche Durchsetzung

Schließlich kann auch der Rechtsweg beschritten werden. Neben der auf Unterlassung und Beseitigung gerichteten Störerhaftung kommt auch eine täterschaftliche Haftung der Plattformbetreiber für die Verletzung von Sorgfaltspflichten infrage. Diese bestehen vor allem in der Sperrung oder Löschung (Takedown) rechtswidriger Inhalte sowie der Verhinderung des zukünftigen Uploads derselben Inhalte (Staydown). Haftungsauslösend ist dabei die Kenntnis des Plattformbetreibers vom rechtswidrigen Inhalt. Da diesen auch nach Inkrafttreten des DSA keine allgemeine Überwachungs- und Nachforschungspflicht trifft, erfordert die Kenntnisnahme in der Regel einen entsprechenden konkreten Hinweis (siehe oben). Werden Betroffene auf rechtswidrige Inhalte aufmerksam und geht es ihnen vor allem um die schnelle Löschung dieser Inhalte, ist schnelles Handeln gefragt. Eine Inanspruchnahme außergerichtlicher Streitbeilegungsmechanismen ist im Zweifel nicht zielführend. Denn bei Abwarten auf einen Schlichtungsspruch würde aufgrund des Zeitablaufs einem gerichtlichen Eilverfahren der Boden entzogen. Auch deshalb wird die Inanspruchnahme von Gerichten in Zusammenhang mit der Haftung für rechtswidrige Plattforminhalte relevant bleiben.

 

 

Beitragsbild: erstellt mit ChatGPT 4o / Dall-E