Live Streams von Demonstrationen: ohne Einschränkungen möglich?

YouTuber bei Protest-Livestream

Leonie Mayer und Juliane Sophie Wolter

 

Immer häufiger sieht man, wie YouTuber:innen, Blogger:innen oder Journalist:innen am Rand von Versammlungen, Kundgebungen oder Demonstrationen stehen und live filmen. Das entspricht in vielen Fällen den Interessen der Veranstalter:innen, weil dadurch Aufmerksamkeit und Reichweite für die jeweilige Thematik in der breiten Öffentlichkeit entsteht. Für einzelne Teilnehmende kann das jedoch schnell unangenehm werden.

Wie ist die Lage, wenn das Filmen vor allem der Provokation der „politischen Gegenseite“ dient? Müssen Teilnehmende das einfach hinnehmen oder sind Einschränkungen möglich?

Um diese Frage beantworten zu können, muss zunächst klar sein, in welchem rechtlichen Rahmen und Spannungsfeld sich die Thematik bewegt. Unter der Annahme, dass die Live-Streams die Versammlung an sich nicht stören, stehen sich die Meinungs- und Pressefreiheit (Art. 5 GG) der Streamer:innen und das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Bs. 1 GG) der abgebildeten Personen gegenüber. Grundsätzlich haben auch Demonstrierende ein Recht auf Privatsphäre. Ob sie es hinnehmen müssen, auf Demonstrationen gefilmt zu werden, hängt von verschiedenen rechtlichen Faktoren ab.

Nicht jede Aufnahme führt automatisch zu einer Rechtswidrigkeit — insbesondere dann nicht, wenn das Fotografieren im öffentlichen Raum erfolgt. Sobald die Aufnahmen jedoch veröffentlicht oder verbreitet werden, greifen die Persönlichkeitsrechte der Abgebildeten. Ausgangspunkt ist dann § 22 KUG: Bildnisse dürfen grundsätzlich nur mit Einwilligung der abgebildeten Person verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Eine ausdrückliche Zustimmung der Versammlungsteilnehmenden liegt in der Regel nicht vor. Sie kann jedoch konkludent erteilt worden sein, etwa wenn Teilnehmende ein erkennbares Interesse an einer öffentlichen Berichterstattung über die Versammlung haben oder der filmenden Person ein Interview geben.

Darüber hinaus normiert § 23 KUG Ausnahmefälle, in denen Bildnisse auch ohne vorherige Einwilligung verbreitet oder öffentlich gezeigt werden dürfen. Im vorliegenden Kontext ist vor allem § 23 Abs. 1 Nr. 3 KUG relevant, der ausdrücklich die Verbreitung von Bildern von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen erlaubt, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben. Damit ist die Darstellung der Versammlung als Ganzes gemeint. Bilder mit Fokus auf Einzelpersonen sind nicht erfasst. Konkrete Personen dürfen nur gezeigt werden, soweit das Bild einen repräsentativen Gesamteindruck der Veranstaltung vermittelt oder sich die Personen räumlich oder durch ihr Verhalten besonders exponieren, etwa wenn sie eine Sprecherrolle auf der Versammlung innehaben.

Je nach Bekanntheitsgrad der teilnehmenden Personen kann zudem die Ausnahme des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG greifen: Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte dürfen ohne Einwilligung verbreitet und öffentlich gezeigt werden. Darunter fallen beispielsweise Bilder und Videos von Politiker:innen oder prominenten Personen. Auch diese Ausnahme gilt jedoch nicht schrankenlos. Die Grenze ist dort zu ziehen, wo berechtigte Interessen der abgebildeten Person verletzt werden, beispielsweise bei gezielter Bloßstellung.

 

Zusammenfassend lässt sich festhalten:

Das Streamen von Versammlungen ist rechtlich zulässig, solange nicht ohne Einwilligung auf Einzelpersonen herangezoomt wird. Dies gilt jedoch nur, wenn die oben dargestellten Regelungen beachtet werden.

Insbesondere bei Livestreams ist Vorsicht geboten. Anders als bei Fotos oder Videos wird das Material hier direkt und unkontrolliert ins Netz gestellt, eine nachträgliche Prüfung oder Bearbeitung ist kaum möglich.

Ein Briefing der Mitwirkenden auf Versammlungen zu den Grenzen der §§ 22, 23 KUG sowie ein Hinweis zu Beginn der Veranstaltung, dass Teilnehmende durch Interviews oft konkludent in eine Veröffentlichung einwilligen, kann daher hilfreich sein.

 

Bildquelle: Generiert mit ChatGPT