Am 18. April 2024 hat der I. Zivilsenat am Bundesgerichtshof gleich zwei Verhandlungstermine angesetzt, in denen Fragen umweltbezogener Werbung eine Rolle spielten.
Für viel Aufsehen schon im Vorfeld hat der Termin zum Az. I ZR 98/23 gesorgt. Hier ging es um die Zulässigkeit einer Werbung mit dem Begriff „klimaneutral“.
Die Beklagte warb in einer Fachzeitung der Lebensmittelbranche mit der Aussage: „Seit 2021 produziert [die Beklagte] alle Produkte klimaneutral“ und einem Logo, das den Begriff „klimaneutral“ zeigte. Die hiergegen klagende Wettbewerbszentrale hielt das für irreführend, da die Herstellungsprozesse der Beklagten nicht CO2-neutral seien. Dass die Beklagte Klimaschutzprojekte unterstütze und in der Werbung auf diese Kooperation hinweise, sei nicht ausreichend.
Das OLG Düsseldorf als Vorinstanz hat eine aktive Irreführung gemäß § 5 UWG verneint. Der Begriff „klimaneutral“ würde von den angesprochenen Verkehrskreisen im Sinne einer ausgeglichenen Bilanz der CO2-Emissionen verstanden werden. Dass die Neutralität sowohl durch Vermeidung als auch durch Kompensationsmaßnahmen erreicht werden könne, dürfe als bekannt vorausgesetzt werden. Auch fehle es nicht an hinreichenden Informationen zur Art und Weise, über die versprochene Klimaneutralität erreicht werde (§ 5a UWG). Es reiche aus, dass diese über die Internetseite des Kooperationspartners gefunden werden könnten, die in der Werbeanzeige ausdrücklich angegeben sei und zudem mittels eines in der Werbeanzeige abgedruckten QR-Codes aufgerufen werden könne. Dies sei Lesern der Fachzeitung auch zumutbar.
Der BGH hat angekündigt, dass er die strengen Maßstäbe, die die Rechtsprechung schon seit vielen Jahren im Bereich der Umweltwerbung ansetzt, nicht zu lockern gedenkt. Es ist nicht ausgeschlossen, dass diese sogar eher verschärft werden und insbesondere Informationen dazu, wie die beworbene „Klimaneutralität“ erreicht wird, künftig direkt in der Werbung erscheinen müssen. Ein Urteil hat der BGH für den 27. Juni 2024 angekündigt.
Weniger Aufmerksamkeit hat der am Morgen schon vor der oben beschriebenen Verhandlung anberaumte Termin zum Aktenzeichen I ZR 43/23 bekommen. Hier ging es um die Frage, ob eine nur unvollständig gefüllte Kosmetikverpackung (hier eine Cremetube) einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht begründen können. Klägerin hatte neben einem Verstoß gegen das Mess- und Eichgesetz auch bemängelt, dass eine ökologisch nicht sinnvolle Verpackung, die bei einem Erwerb nicht erkennbar ist, auch eine wettbewerbsrechtlich relevante Irreführung darstellen könne. Dem hatte das OLG Düsseldorf (Urteil vom 23.3.2023 – 20 U 176/21) in der Vorinstanz eine Absage erteilt. Damit setzt sich das OLG Düsseldorf aber nicht zwingend in Widerspruch zur sog. „Tiegelgrößen-Entscheidung“ des BGHs (I ZR 78/16, 11.10.2017), in der es heißt:
b) Die Annahme einer Täuschung über die Füllmenge des Produkts durch die
Gestaltung der Größe der Umverpackung („Mogelpackung“) hängt davon
ab, ob der Verkehr nach den Umständen des Einzelfalls im Hinblick auf
das konkret in Rede stehende Produkt die Vorstellung hat, dass die Größe
der Verpackung in einem angemessenen Verhältnis zur Menge des darin
enthaltenen Produkts steht.
Vielmehr hat das OLG Düsseldorf eine Täuschung deswegen für nicht zwingend gehalten, weil der Verbraucher bei der Betrachtung des hier angegriffenen Angebots unter Abbildung der – übergroßen – Verpackung im Internet keine konkrete Vorstellung zu deren tatsächlicher Größe entwickeln wird und damit auch nicht darüber getäuscht werden könne, ob die Inhaltsmenge der Verpackungsgröße entspricht. Insoweit besteht die Möglichkeit, dass der BGH hier das OLG Düsseldorf bestätigt. Wir werden weiter berichten.
Mehr zum Thema umweltbezogene Werbung, „Green Claims“ und den Gesetzgebungsvorhaben der EU zum Thema „Green-Washing“ lesen Sie im Beitrag unseres Kollegen Sebastian Wasner in der GRUR Prax 2023, 588 und in unserem Blog-Beitrag vom 18. Oktober 2023.
Bild: mit KI generiert über Dall-E