20. September 2023 | Wettbewerbsrecht

Keine außergerichtliche Streitbeilegung bei Wettbewerbsverstößen durch Kleinunternehmen?

Das OLG Nürnberg hat mit Urteil vom 9. Mai 2023, Az.: 3 U 3524/22, entschieden, dass Unternehmen mit weniger als 100 Mitarbeitern im Falle einer erstmaligen Abmahnung einen Wettbewerbers wegen eines im Internet begangenen Verstoßes gegen gesetzliche Informationspflichten die Sache nicht mehr durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung gegenüber dem Wettbewerber außergerichtlich beilegen können.

Hintergrund

Seit der am 2. Dezember 2020 in Kraft getretenen UWG-Novelle ist die Vereinbarung einer Vertragsstrafe zwischen einem abgemahnten Unternehmen, das in der Regel weniger als 100 Mitarbeiter beschäftigt, und einem abmahnenden Wettbewerber gemäß § 13a Abs. 2 UWG ausgeschlossen, wenn es sich um eine erstmalige Abmahnung handelt und ein im Internet begangener Verstoß gegen gesetzliche Informations- oder Kennzeichnungspflichten abgemahnt wurde. Über die Auswirkungen dieser Regelung besteht seitdem Streit. Insbesondere wird diskutiert, ob eine außergerichtliche Streitbeilegung durch die Abgabe einer Unterlassungserklärung in den von der Bestimmung erfassten Fällen überhaupt noch möglich ist.

Das OLG Schleswig (Beschluss vom 3. Mai 2021, 6 W 5/21) und ein Teil der Literatur vertreten insoweit die Auffassung, dass in den von § 13a Abs. 2 UWG erfassten Fällen die Wiederholungsgefahr ausnahmsweise auch durch die Abgabe einer nicht strafbewehrten „einfachen“ Unterlassungserklärung ausgeräumt werden könne. Nach Ansicht des OLG Schleswig sei nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber mit der Regelung eine außergerichtliche Streitbeilegung zwischen Mitbewerbern habe ausschließen wollen.

Nach der Gegenauffassung soll § 13a Abs. 2 UWG hingegen nicht so zu verstehen sein, dass in den erfassten Fällen die Wiederholungsgefahr durch eine einfache Unterlassungserklärung beseitigt werden könne. Die Neuregelung berühre weder den Bestand des Unterlassungsanspruchs des abmahnenden Wettbewerbers noch das Konzept der Wiederholungsgefahr und ihrer Beseitigung durch eine hinreichend strafbewehrte Unterlassungserklärung.

Die Entscheidung des OLG Nürnberg

Das OLG Nürnberg hat sich in einem Urteil vom 9. Mai 2023, Az.: 3 U 3524/22, der letztgenannten Auffassung angeschlossen. In dem entschiedenen Fall war ein privilegiertes Kleinunternehmen wegen einer fehlenden Grundpreisangabe auf der Plattform eBay durch einen Mitbewerber abgemahnt worden.
Die Neuregelung bewirke nach Ansicht des OLG Nürnberg nicht, dass dem Mitbewerber in den erfassten Fällen kein Unterlassungsanspruch mehr zustehe. Sie ändere auch nichts an dem Grundsatz, dass nur eine strafbewehrte Unterlassungserklärung hinreichende Gewähr für die künftige Befolgung der maßgeblichen Vorgaben gebe. Die sich daraus ergebenden Konsequenzen für die von der Regelung erfassten Fälle, nämlich dass eine außergerichtliche Streitbeilegung nicht mehr möglich sei, habe der Gesetzgeber realisiert.

Das OLG Nürnberg erkennt in seiner Entscheidung zwar an, dass das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel, die Generierung von Vertragsstrafen und Abmahnkosten einzudämmen, damit nur unzureichend verwirklicht werde. Immerhin drohen dem Abgemahnten zwar keine Abmahnkosten und Vertragsstrafen mehr, dafür jedoch eine Belastung mit Anwalts- und Gerichtsgebühren für das notwendige Gerichtsverfahren. Es verweist insoweit jedoch auf die verbleibende Möglichkeit einer Drittunterwerfung, etwa gegenüber einem Wettbewerbsverband oder einer Verbraucherzentrale.

Die Folgen

Die Entscheidung des OLG Nürnberg mag zwar dogmatisch nachvollziehbar sein. In der Praxis bereitet sie jedoch erhebliche Probleme, vor allem deshalb, weil der durch das Gericht aufgezeigte Weg einer Drittunterwerfung von vielen Gerichten als kritisch gesehen wird und allenfalls unter engen Voraussetzungen akzeptiert wird. In der Regel dürfte es schon schwierig werden, in der Kürze der regelmäßig zur Verfügung stehenden Zeit überhaupt einen verfolgungsbereiten und verfolgungsberechtigten Dritten zu finden. Abgemahnte Kleinunternehmen werden daher vielfach in unnötige Gerichtsverfahren getrieben, obwohl sie zu einer außergerichtlichen Streitbeilegung bereit wären.

Diese Problematik war dem Gesetzgeber aus der Anhörung zum „Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“, bei der auch unser JBB-Kollege Dr. Martin Jaschinski als Sachverständiger im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags gehört wurde, bekannt. Der Wunsch, „Kleinunternehmen“ vor sog. „Abmahnmissbrauch und insbesondere überhöhten Vertragsstrafeforderungen zu schützen, hat hier zu etwas unausgewogenen Ergebnissen geführt.