Das Bundesministerium der Justiz (BMJ) testet ein neues Verfahren zur Digitalisierung zivilrechtlicher Prozesse. Im Fokus: Fluggastrechte. Über einen Onlinedienst können Bürger:innen prüfen, ob ihnen bei Flugverspätungen oder -ausfällen eine Entschädigung zusteht – und gegebenenfalls Klage erheben, ohne anwaltliche Unterstützung.
Klage bei Flugärger – mit wenigen Klicks?
Auf der Seite „Geld bei Flugproblemen einfordern | Justiz-Services“ lässt sich in einem ersten Schritt ein Vorab-Check durchführen. Das System prüft zunächst, ob grundsätzlich ein Anspruch bestehen könnte. Im Anschluss zeigt das System mögliche Wege zur Durchsetzung der Ansprüche – inklusive der Option, online direkt Klage zu erheben.
Sieben Amtsgerichte beteiligen sich zunächst an dem Projekt, darunter Bremen, Düsseldorf und Frankfurt am Main. Die Auswahl orientiert sich an der Nähe zu größeren Flughäfen.
Technische Hürde und rechtliches Risiko
Für die Nutzung des Angebots ist ein „Mein Justizpostfach“ (MJP) erforderlich – ein digitales Bürgerkonto, das nur mit Online-Ausweis und BUND-ID eingerichtet werden kann. Das senkt zwar für technisch versierte Nutzer:innen mögliche Hürden, schließt aber viele aus, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen oder sich im digitalen Raum unsicher fühlen.
Anders als bei vielen kommerziellen Legaltech-Portalen tragen Nutzer:innen des staatlichen Onlinedienstes das gesamte Prozesskostenrisiko selbst. Das bedeutet: Sie müssen einen Gerichtskostenvorschuss leisten und im Fall einer Niederlage auch die Anwaltskosten der Gegenseite übernehmen – ein finanzielles Risiko, das viele abschrecken dürfte. Bei den meisten Legaltech-Anbietern ist das anders: Die Beauftragung ist für Nutzer:innen zunächst kostenlos. Nur im Erfolgsfall fällt eine Provision an – oft rund 50 Prozent des erstrittenen Anspruchs. Im Falle des Unterliegens entstehen hingegen keine Kosten. Wer dagegen über das staatliche Portal klagt und gewinnt, behält zwar die volle Entschädigung, muss aber bereit sein, das Kostenrisiko selbst zu tragen.
Ein digitaler Praxistest – mit offenem Ausgang
Das Pilotprojekt ist Teil des größeren Vorhabens „Zivilgerichtliches Online-Verfahren“. Ziel ist es, die Justiz durch digitale Abläufe zu entlasten und gleichzeitig den Zugang zum Recht zu verbessern. Ob dieser Ansatz für die breite Bevölkerung praktikabel ist und sich im Vergleich zu bestehenden Angeboten – etwa von Legaltech-Anbietern – durchsetzen kann, wird sich in der Praxis zeigen müssen.
Bildquelle: Generiert mit ChatGPT 4o / Dall-E.